„Neue Kommaregeln“ – was soll das heißen?
Seit Juli 2024 haben sich die Kommaregeln, die im Rahmen der deutschen Rechtschreibung verbindlich sind, geändert: Seit diesem Termin ist das neue „Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung“ gültig, welches damit die vorige Version von 2017 abgelöst hat. Im neuen Regelwerk wurden die Kommaregeln umfassend neu gestaltet. Allerdings beschränkt sich diese Neugestaltung im Wesentlichen auf eine Neuformulierung der vorher bereits gültigen Regeln: Nur für einige besondere Fälle sehen die neuen Kommaregeln eine andere Kommasetzung vor als bisher.
Dieser Artikel arbeitet genau diese Fälle heraus und bietet ein „Update“ der Kommasetzung für alle, die mit der Materie schon etwas vertraut sind. (Er dient dazu, sich einen Überblick über die Neuerungen zu verschaffen, stellt also keine umfassende Einführung in die deutschen Kommaregeln dar. Auf die sehr zahlreichen Fälle, in denen sich nichts verändert hat, wird hier nicht erklärend eingegangen.)
Überblick
Im Folgenden wird der übergreifende Rahmen des neuen Kommaregelwerks knapp skizziert. Fälle, bei denen Regeländerungen stattgefunden haben, werden erläutert, um die neuen Kommaregeln im Kontext verständlich zu machen. Dabei werden
- die neuen Kommaregeln (in Rot hervorgehoben) zusammengefasst, also Fälle, für die das neue Regelwerk explizit eine andere Kommasetzung verlangt als das alte;
- wesentliche definitorische Neuerungen (in Blau hervorgehoben) vorgestellt, die für das Verständnis der neuen Kommaregelungen hilfreich sind.
Alle Beispielsätze in diesem Artikel sind dem neuen amtlichen Regelwerk entnommen.
Die Quellenverweise in Klammern verlinken auf die jeweils einschlägige Stelle im neuen Regelwerk.
Der Aufbau des Komma-Kapitels im neuen Regelwerk
Grundlage ist dabei Teil E (Zeichensetzung) des neuen Regelwerks, und dort das Kapitel 2 (Komma). Dort wird einleitend in einer sehr allgemein gehalten Form die Funktion des Kommas wie folgt definiert: „Es zeigt strukturelle Erweiterungen in Sätzen oder Satzäquivalenten an.“ Diese Erweiterungen werden dann eingeteilt in
- Reihungen (= die Position eines Satzgliedes oder Satzgliedteils ist mehrfach besetzt),
- Zusätze (= ein Ausdruck wird einem grammatisch bereits vollständigen Satz hinzugefügt),
- Nebensätze (= ein weiterer, untergeordneter Satz wird angefügt).
1. Neue Kommaregeln bei Reihungen
In diesem Abschnitt finden sich neue Definitionen bei den folgenden Punkten:
- Komma bei Reihungen: Laut dem alten wie auch dem neuen Regelwerk gilt, dass bei Reihungen von gleichrangigen Elementen Kommata gesetzt werden. Laut dem neuen Regelwerk kann es sich bei den Elementen der Reihung (so die neue Definition) um „Wortteile, Wörter, Wortgruppen, Sätze und Satzäquivalente“ handeln (Kap. E 2.1, § 70).
- Komma bei Reihungen mit „wiederholbaren Konjunktionen“: Es gilt nach wie vor, dass bei Reihungen gleichrangiger Elemente das Komma überflüssig wird, wenn diese Elemente durch bestimmte Konjunktionen verbunden sind. Diese Konjunktionen werden im neuen Regelwerk nun als „wiederholbare Konjunktionen“ definiert. Wiederholbare Konjunktionen, so das Regelwerk, „sind aufzählend. Mit ihnen kann deshalb mehr als ein Bestandteil gereiht werden“:
Ihre Tochter wollte sowohl tanzen als auch malen als auch Klavier spielen lernen.
Diese das Komma überflüssig machenden Konjunktionen waren laut dem alten Regelwerk die folgenden: und/sowie/wie, oder/beziehungsweise/bzw., sowohl–als auch/sowohl–wie auch/entweder–oder, weder–noch/nicht–noch. Im neuen Regelwerk wurden diese nun noch um „respektive“ bzw. „resp.“ ergänzt (Kap. E 2.1, § 71).
- Komma bei Reihungen von Sätzen und Satzgefügen: Wenn es sich bei zwei gleichrangigen Reihungselementen um ganze Sätze handelt, „bei denen beide Teile alleine stehen können“, kann nach wie vor fakultativ ein Komma gesetzt werden (Kap. E 2.1, § 71 E3):
Ich fotografierte die Berge[,] und meine Frau machte einen Spaziergang.
Das neue Regelwerk nimmt in diesem Zusammenhang eine explizite Klärung für den folgenden Sonderfall vor: Ein vollständiger Satz wird von einem Satzgefüge gefolgt, wobei die beiden durch eine „wiederholbare Konjunktion“ verbunden sind. (Ein „Satzgefüge“ ist eine Verbindung von Hauptsatz und Nebensatz; in diesem Fall steht der Nebensatz an erster Stelle.) Wenn dies zutrifft, dann gilt die Regel, dass vor der Konjunktion ein Komma steht; zwischen der Konjunktion und dem einleitenden Ausdruck des Nebensatzes steht hingegen kein Komma (Kap. E 2.4.3):
Ich habe sie selten besucht, und wenn ich bei ihr war, dann saßen wir bis spät in der Nacht zusammen.
2. Neue Kommaregeln bei Zusätzen
In diesem Abschnitt finden sich neue Definitionen sowie konkrete neue Kommaregeln bei den folgenden Punkten:
- Komma bei „Herausstellungen“: Im alten Regelwerk wurde bereits das Phänomen der „Wörter oder Wortgruppen, die durch ein hinweisendes Wort oder eine hinweisende Wortgruppe angekündigt werden“ benannt. Diese firmieren im neuen Regelwerk nun unter dem neu eingeführten Begriff der „Herausstellungen“. Es handelt sich dabei um „Zusätze mit Verweiswort oder einer hinweisenden Wortgruppe“. Sie erfordern (wie schon zuvor) ein Komma (Kap. E 2.2, § 72 E1):
Dem Hund, dem würde ich einen Knochen geben.
Aus vollem Halse lachend, so kam sie auf mich zu.
- Komma bei präzisierenden nachgestellten Erläuterungen: Im Hinblick auf die Kommasetzung bei nachgestellten Erläuterungen, die mit Wörtern/Wendungen wie insbesondere, und zwar, vielleicht, genauer, nämlich beginnen, wird ausgeführt, dass derlei nachgestellte Erläuterungen „als Zusatz oder als verkürztes Satzglied aufgefasst“ werden können (Kap. E 2.2, § 72 E4). Bei der gemäß dem neuen Regelwerk nun auch möglichen Auffassung als verkürztes Satzglied fällt das Komma am Ende der Erläuterung fort. So war in den folgenden Beispielsätzen nach dem alten Regelwerk die folgende Kommasetzung verbindlich:
Auf der Ausstellung waren viele skandinavische Firmen, insbesondere finnische, vertreten.
Wir erwarten dich nächste Woche, vielleicht auch übernächste, zu einem Gespräch.
Nach dem neuen Regelwerk tritt nun die Möglichkeit neu hinzu, alternativ auf das Komma am Ende der Erläuterung zu verzichten:
Auf der Ausstellung waren viele skandinavische Firmen, insbesondere finnische vertreten.
Wir erwarten dich nächste Woche, vielleicht auch übernächste zu einem Gespräch.
- Komma bei mehrteiligen nachgestellten Erläuterungen: Im Hinblick auf Elemente von mehrteiligen Orts-, Wohnungs-, Zeit- und Literaturangaben wurde der Hinweis gestrichen, dass das Komma nach dem Zusatz bzw. dem letzten Reihungselement weggelassen werden kann; stattdessen heißt es nun: „Sind diese Angaben in den Satz eingeschoben, steht links und rechts ein Komma“ (Kap. E 2.2, § 72 E5):
Am Freitag, den 25. September, feiern sie ihre Silberhochzeit.
In der Zeitschrift Spektrum, Jahrgang 29, findet sich ein entsprechendes Zitat.
Gustav Meier, Wiesbaden, Wilhelmstr. 24, 1. Stock, hat Anzeige erstattet.
3. Neue Kommaregeln bei Nebensätzen
In diesem Abschnitt finden sich neue Definitionen sowie konkrete neue Kommaregeln bei den folgenden Punkten:
- zu-Infinitive als „infinite Nebensätze“: Die Klassifikation, nach der Nebensätze eingeteilt werden, wurde im Regelwerk von 2024 neu gestaltet. Wortgruppen, in denen das Wort „zu“ in Verbindung mit einem Infinitiv auftaucht, werden nun allgemein mit dem Begriff „zu-Infinitive“ bezeichnet. Abgesehen von einigen Ausnahmen gelten solche zu-Infinitive nun als „infinite Nebensätze“. (Nebensätze im überkommenen Sinn (die ein finites Verb enthalten) werden dementsprechend als „finite Nebensätze“ bezeichnet.) (Kap. E 2.3, § 73)Wie alle anderen Nebensätze werden auch die infiniten Nebensätze immer mit Komma abgetrennt:
Sie fährt nach Regensburg, um ihre Freundin zu besuchen.
Der Minister hat bedauert, das Kabinett nicht überzeugen zu können.
Maria verbietet ihrem Sohn, nach draußen zu gehen.
Den Herd rechtzeitig auszuschalten, haben wir immer wieder vergessen.
Neu ist dabei, dass die Abgrenzung mit Komma nun für alle „infiniten Nebensätze“ verbindlich ist, und nicht nur, wie es bisher der Fall war, bei den Sonderfällen, die im alten Regelwerk in § 75 genannt wurden (Infinitivgruppe wird mit mit um/ohne/statt/anstatt/außer/als eingeleitet oder hängt von einem Substantiv ab oder hängt von einem Korrelat/Verweiswort ab). Einige Ausnahmen bleiben allerdings (in teilweise neuer Formulierung) erhalten:
- Nicht-erweiterte zu-Infinitive: Einen Sonderfall stellt ein zu-Infinitiv dar, der keine weiteren Wörter außer dem „zu“ und dem Infinitiv enthält: Dieser muss nicht zwingend als „infiniter Nebensatz“ gelten, sondern kann auch „als Wortgruppe“ verstanden werden. Daher ist in diesem Fall eine Abgrenzung durch (paariges) Komma (wie schon nach dem alten Regelwerk) immer möglich, aber fakultativ (Kap. E 2.3, § 73 E2):
Den Plan[,] zu verreisen[,] fasste er erst kürzlich.
Sie war nicht darauf vorbereitet[,] umzuziehen.
- zu-Infinitive als Teil eines mehrteiligen Prädikats: Ein weiterer Sonderfall liegt vor, wenn der zu-Infinitiv (zusammen mit einem weiteren Verb) als Teil des Prädikats zu betrachten ist. Auch in diesem Fall wird er nicht durch Komma abgegrenzt (Kap. E 2.3, § 73 E4):
Sie hat ihren Chef nicht zu fragen gewagt.
Du brauchst nicht zu dieser Veranstaltung zu gehen.
Der Regel ist zu folgen.
Es gibt Grenzfälle, bei denen ein zu-Infinitiv gleichermaßen als Teil des Prädikats wie auch als infiniter Nebensatz betrachtet werden kann: Bei bestimmten Verben (z. B. versuchen, erlauben, beabsichtigen, versprechen, gestatten, probieren, wagen) kann es unklar sein, ob diese dem zu-Infinitiv „übergeordnet“ sind und somit ein mehrteiliges Prädikat mit ihm bilden (Kap. E 2.5.5):
Der Minister versuchte[,] das Kabinett zu überzeugen.
Der Lateinlehrer beabsichtigt[,] zum heutigen Elternabend zu gehen.
Gerhard probiert[,] den Mount Everest zu besteigen.
4. Sonstige Neuerungen bei den Kommaregeln
- Komma bei zu Fragewörtern verkürzten Fragesätzen: Weiterhin behandelt das neue Regelwerk den Fall, dass Fragewörter stellvertretend für einen ganzen Fragesatz stehen. Sie können in diesen Fällen als Satzglied aufgefasst werden (nicht durch Komma abgetrennt) oder aber als verkürzter Satz (mit Komma abgetrennt) (Kap. E 2.5.3):
Berta weiß nicht[,] wie viel.
Nico hat sich das Bein gebrochen und hat uns auch gesagt[,] wie.
Keiner ahnt[,] warum.
Resümee
In Kürze können wir als wesentliche Änderungen, die die ab Juli 2024 gültigen neuen Kommaregeln mit sich bringen, die folgenden 3 Punkte festhalten (Punkt 3 dürfte den meisten Schreibenden wohl am häufigsten begegnen):
- Das Komma nach präzisierenden, nachgestellten Erläuterungen darf nun auch weggelassen werden:
Wir erwarten dich nächste Woche, vielleicht auch übernächste[,] zu einem Gespräch.
- Bei mehrteiligen nachgestellten Erläuterungen (Orts-/Wohnungs-/Zeit-/Literaturangaben) hingegen ist das abschließende Komma nun vorgeschrieben:
Gustav Meier, Wiesbaden, Wilhelmstr. 24, 1. Stock, hat Anzeige erstattet.
- Bei Infinitivgruppen, die als „infinite Nebensätze“ gelten können (d. h. in den allermeisten Fällen, in denen eine Infinitivgruppe aus mehr als nur dem Wort „zu“ + dem Infinitiv besteht), ist eine Abgrenzung durch Komma nun vorgeschrieben:
Maria verbietet ihrem Sohn, nach draußen zu gehen.
Den Herd rechtzeitig auszuschalten, haben wir immer wieder vergessen.