Ein schönes Wort für etwas jeden Tag doch immer wieder Neues, Unverbrauchtes, für das Vor- und Sinnbild eines immer wieder unternommenen beharrlichen Neubeginn, komme was da wolle. Ein Wort, das nicht den zweifelhaft-zwielichtigen Beiklang eines Morgenrots mit sich bringt – im Morgenrot wird zur Schlacht aufgebrochen, oder es wird vielleicht im Morgenrot das Zerstörungswerk der Nacht sichtbar, es ist „Schlechtwetterbot“ usw. Im Frührotschein kommt eher der Blick einer poetischen Naturromantik zum Tragen; auch ist das Wort weit weniger banalisiert und verbraucht – wie der Tagesanbruch, das Frührot, der Sonnenaufgang selber, die sich auch dagegen sperren, jemals ganz verbraucht und ohne einen Hoffnungsschimmer daherzukommen.
Zugestanden sei aber, dass der Frührotschein nicht allein für den Bereich einer aufgeräumt wohlgemuten Romantik und den heiteren Ernst reklamiert werden kann. Auch die schlechte Verlängerung der Romantik ins schwärmerisch-tatbereit Irrationale ist dem Wort nicht fremd, genauso wie es auch etwas Turnerhaftes haben kann (frisch, fromm, fröhlich, frei, Frührotschein?). Immerhin würde man im Frührotschein aber zu einer anderen (und hoffentlich weniger untergangssehnsüchtigen) Tageszeit turnen als der Herr in Erich Kästners „Handstand auf der Loreley“ – denn der findet sein heldisch vaterländisches Ende schließlich im Heine’schen „Abendsonnenscheine“.