Wort der Woche: Codeverfeinerung

Sprache verbindet – das ist eine weithin anerkannte Feststellung, an die sich wohl ganz verschiedene Hoffnungen knüpfen: Der eine will sie nutzen, um seine Produkte unter die Leute zu bringen; die andere will vielleicht sogar die Welt ein wenig besser machen, indem sie Menschen über Worte zusammenbringt.

Sprache trennt aber auch: Durch die Verwendung des einen oder anderen sprachlichen Codes drückt man Gruppenzugehörigkeit aus. Der eine spricht von blumigen Fruchtnoten und einem rhombenförmigen Bouquet, die andere eher davon, wie sie diesem geleckten Edelalfred mal zeigen wird, wo der Frosch die Locken hat – beide machen damit auch eine Aussage darüber, was für Leute sie so sind und wo sie so dazugehören (wollen).

Besonders trennend wirkt Sprache dann, wenn man Worte wählt, die überhaupt nur von der In-Group verstanden werden, während der Rest der Leute beim Lesen oder Zuhören guckt wie der Zyklop im 3-D-Kino. Aber auch, wenn die Sprache für andere noch zu verstehen ist: Nicht alles, was man versteht, kann man ohne weiteres selbst reproduzieren. Sich eine Gruppenzugehörigkeit aus Sprache zu schneidern, will gelernt sein.

Sprache nun gar, die sich mit dem Anspruch politischer Progressivität trägt, bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen dem Anspruch, die Welt zum besseren Ort zu machen, einerseits – und der Konstruktion einer exklusiven In‑Group andererseits. Sicher: Man kann als Angehöriger eines Milieus mit engagiert-avantgardistisch-urbanem Selbstverständnis schon sagen, dass ganz allgemein einfach jeder Mensch eingeladen ist mitzutun und sich die sprachlichen Mitteln der egalitären Veränderungsbeflissenheit zu eigen zu machen. Unpassend wäre es aber, sich nicht auch darüber im Klaren zu sein, dass man mit dem erklärten Anspruch, einem Leitmilieu zuzugehören, auch eine Hierarchisierung betreibt – der Distinktionsgewinn geht dabei natürlich auf das eigene Konto.

Natürlich wirken auch im Bereich der progressiv-politisch motivierten Sprachformung fortlaufende Such- und Absetzbewegungen. Natürlich auch treiben diese die Sprache immer wieder über sich hinaus und zeitigen stets neue, stets noch feinere sprachlich Blüten. Und natürlich dient deren Erfindung und Benutzung nicht allein den (bewussten) politischen Anliegen, sondern nicht zuletzt auch dem (manchmal weniger bewussten) Radical Chic. Für Verfechter der politischen Spracherneuerung sollte die Reflexion auf diese Logik eigentlich zum (selbst‑)kritischen Grundkurswissen gehören: die Logik der Codeverfeinerung.

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