Ein Wort, dass zu unrecht wieder aus der Mode gekommen ist – denn aktueller als jemals zuvor scheint das zu sein, was es beschreibt: die Verstopfung von Straßen jeder Art und Größe durch den motorisierten Individualverkehr und das Übergewicht der Automobilität im Alltagsleben zulasten von Umwelt, Ästhetik, Lebensstandard und seelischer Gesundheit. Alle leiden sie unter dem Zuviel an blechverpanzerter Behändigkeit: die geschnittenen und an den Rand gedrängten Fußgängerinnen und Radler genauso wie die humorlos drängelnden und schimpfenden Autler selbst. Aber auch wenn man mittlerweile ein Wort für die noch weitgehend zukunftsmusikalische Änderung dieses Missstandes zu haben meint – „Verkehrswende“ –, verzichtet man im Zeichen der zweifelhaften Grundhaltung eines Positive Thinking mittlerweile wohl gerne auf die Benennung des Übels.
Im Kontext der Bewertung politischer Sprache sind (katastrophische) Naturmetaphern wie „Flüchtlingswelle“ oder „Asylflut“ wiederholt als entmenschlichend kritisiert worden. Die Blechlawine interessanterweise wirkt im Zeitalter der aufgebockten SUVs, die, von gelegentlichem Hupen abgesehen, in weidlich breitärschiger, abgeschotteter Kommunikationslosigkeit, ohne Blinken und Schulterblick durch Städte und über Autobahnen manövriert werden, tatsächlich maschinenhafter als motorisierter Individualverkehr es je zuvor war. Da wäre nun eigentlich dies schöne Wort gerade ganz passend, um genau dieses Verschwinden der Individuen hinter einer Tonne von Blech, Elektronik und Panzerglas (das ja hier ein freiwilliges Sichverstecken ist) begrifflich auf den Punkt zu bringen.
Schließlich spricht auch die Tatsache, dass die Blechlawine ein Kollektivsingular ist, für die Verwendung des Wortes. Denn unsere zeitgeistgemäß verfetteten Kraftfahrzeuge als Hülle und Ausdruck der aufgemotzten und verpanzerten Ichs und Egos, die sie transportieren, kommen in ihrer schieren Menge und Gesichtslosigkeit ja ironischerweise als eine praktisch amorphe Masse daher. Und deren Objekthaftigkeit und berechenbare Willenlosigkeit ist im Zeitalter datenbasierter intelligenter Vekehrslenkungssysteme allgemein bekannt. (Eindrückliche Bilder, die aus einer Vogelperspektive des Stadtlebens von der schematischen Rhythmizität des Straßenverkehrs wie von einem Naturspektakel erzählen, gibt es etwa in Godfrey Reggios Film „Koyaanisqatsi“ von 1982 zu sehen.)